Wie Afrika und Europa ihre schwierige Partnerschaft in Krisenzeiten neu aufsetzen sollten.
Eine Woche nach dem sechsten Gipfeltreffen der Afrikanischen Union (AU) und der Europäischen Union Mitte Februar begann der russische Einmarsch in die Ukraine. Der Krieg in Europa bleibt nicht ohne Folgen für die afrikanischen Länder. Russland ist zum wichtigsten Waffenlieferanten Afrikas aufgestiegen.
Der Rat der EU wiederum hat in seltener Einstimmigkeit eine Milliarde Euro für Waffenlieferungen an die Ukraine freigegeben, die ursprünglich für Sicherheits- und Friedensmissionen in Afrika vorgesehen waren. Die gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreise haben die humanitären Krisen in vielen Regionen und die sozialen Spannungen verschärft.
Doch ein Schritt zurück, zum AU-EU-Gipfel: Die afrikanischen Staats- und Regierungschefs kamen mit einiger Kritik nach Brüssel. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa sprach angesichts der Weigerung der EU, den Patentschutz für Impfstoffproduktionen temporär aufzuheben, von „Impfstoff-Apartheid“. Die EU verkündete immerhin die Unterstützung von mRNA-Technologie-Hubs in sechs afrikanischen Ländern.
Faktor Klimakrise. Gravierende Divergenzen gab es auch beim Thema Klima: Afrika stellt 17 Prozent der Weltbevölkerung und ist für rund 3 Prozent der Kohlendioxidemissionen verantwortlich, aber am schwersten von der Klimakrise betroffen. Daher wurden mehr Ausgleichszahlungen gefordert.
Die EU-Kommission präsentierte ihrerseits das „Global-Gateway-Investitionspaket“, eine Antwort auf Chinas „Belt and Road Initiative“. 150 Milliarden Euro sollen in den nächsten sieben Jahren nach Afrika fließen. Woher das Geld kommen soll, blieb unklar. Viele Expert*innen sprechen vom „alten Wein in neuen Schläuchen“.
Die EU bleibt Afrikas wichtigster Handelspartner. 36 Prozent von Afrikas Außenhandel werden mit der EU abgewickelt, gefolgt von China mit 17 Prozent und den USA mit 6 Prozent. Bei Investitionen und Entwicklungszusammenarbeit zeigt sich ein ähnliches Bild.
Zwei Rahmenabkommen sollen aus der Sicht Brüssels diese dominante Position absichern: Die „Joint Africa-EU Strategy“ (JAES) ist der offizielle Rahmen für die Beziehungen mit der AU. Daneben existiert das Partnerschaftsabkommen mit der Organisation der afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (OAKPS, früher AKP-Staaten, noch früher europäische Kolonien). Damit leistet sich die EU eine teure Doppelstruktur.
Neue Zeiten. Wie kann die Zusammenarbeit verbessert werden? Die EU tut sich noch immer schwer mit selbstbewussten afrikanischen Politiker*innen. Aber bei kontroversen Positionen wie zum Thema Migration braucht es realistische Kompromisse, die die Interessen der Ursprungs- und Transitländer von Migrant*innen berücksichtigen.
Zudem gilt es, die EU-Strategien stärker mit den Prioritäten der AU abzustimmen: u.a. die panafrikanische Freihandelszone und das strategische Konzept der AU zur sozio-ökonomischen Transformation des afrikanischen Kontinents bis zum Jahr 2063.
Vor allem muss die EU ihre „double standards“ beenden: Menschen- und insbesondere Frauenrechte, demokratische Strukturen und gute Regierungsführung sollten in beiden Kontinenten Priorität haben und dürfen nicht der Migrationsabwehr und Terrorbekämpfung zum Opfer fallen.
Die AU wiederum braucht eine einheitlichere Stimme und eine „Strategie mit Europa“ – und mehr Dialog mit ihrer (kritischen) Zivilgesellschaft.
Franz Schmidjell ist Referent für Afrika-Politik am VIDC – Wiener Institut für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit und stv. Direktor.
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